Ein altes Foto
erzählt ein Stück Ortsgeschichte
- Hilgert 1896 -
Als diese Aufnahme 1896 entstand, hatte Hilgert etwa 500 Einwohner. Das Pfeifenbäckerhandwerk war
neben der Landwirtschaft die wichtigste Existenzgrundlage,
50 Brennöfen und auch etliche Fachwerkhäuser prägten das Ortsbild. Es
wurden nun schon seit über 100 Jahren in beträchtlichen Mengen Tabakpfeifen
aus Ton hergestellt, die weltweit exportiert wurden.
Hilgert war als das "Pfeifenbäckerdorf" und weit über das Westerwälder
Kannenbäckerland hinaus bekannt.
Etwa gegen 5 Uhr nachmittags, im Juni 1896
stand Karl Katherey mit seiner Plattenkamera auf dem
"Wisseberch" und machte dieses bemerkenswerte Foto. Katherey war
Lehrer in der 1884 erbauten Schule, die mit dem Turm und seiner
Wetterfahne das bisher optisch markanteste Gebäude im Ort geblieben ist.
Als Schatten im Vordergrund zählt der Schulmeister, wohl ungewollt, mit zu den Personen,
die hier abgebildet sind: Der Krugbäcker Hermann
Zöller ("Johnswellms Hermann") und seine Frau Pauline geb. Thiel.
Es sind die Großeltern von Hermann Zöller, der dieses älteste
Foto von Hilgert sorgfältig aufbewahrt hat; dessen Vater Hermann
Ferdinand, damals noch ein 11-jähriger Junge, mit seinem
Freund Richard Klauer (rechts), der spätere Vater von Albrecht Klauer- Simonis.
Im Hintergrund die Montabaurer Höhe, mit 550 m. die höchste Erhebung im
unteren Westerwald. Heute gehört der "Köppel" mit seinem ausdehnten
Waldgebiet zum Naturpark Nassau. Südöstlich von Hilgert, die
Lebensader des Dorfes, ist die "Nouwe Stroß", die Rheinstraße, die heutige
L 307, die den Westerwald mit dem Rhein verbindet. Als sie 1852 geplant wurde, machten die Bürger des Dorfes in einem Gesuch an die
Herzogliche Nassauische Landes-Regierung mit einer Unterschriftensammlung
deutlich, daß, wenn die "Chausee" schon nicht "...durch Hilgert selbst
geführt werde" könne, es "... zum Schaden für die Gemeinde" sein, wenn sie
nicht "... so nahe als möglich an Hilgert herangelegt werde".
Heute jedoch ist diese, damals unerwünschte, "Ortsumgehung" ein Segen für die Bürger, denn mit der
ruhigen Südhanglage und gleichzeitig
günstigen Verkehrsanbindung nach Koblenz, Neuwied und Montabaur ist
Hilgert zu einem begehrten Wohngebiet geworden, nur wenige Kilometer sind es
bis nach Ransbach- Baumbach oder Höhr-Grenzhausen.
Besonders in den letzten 30 Jahren ist der Ort beträchtlich gewachsen. Es
werden 1994 fast 1500 Einw. und 420 Häuser gezählt. Lehrer Katherey müsste
heutzutage mehrere Aufnahmen machen um das gesamte Dorf auf die Platte zu
bannen.
Hätte damals jemand 100 Jahre früher, also Ende des 18. Jh. ein Foto machen
können, dann wäre Hilgert nur etwa halb so groß
gewesen, wie zu Katherey's Zeiten. Nur der alte Ortskern mit etwa 60
Häusern, wäre dann sichtbar gewesen: Das ehemalige
Kannen- und Krugbäckerdorf, denn vom 17.- bis in das 18. Jahrhundert
hinein töpferten in "Heljert", im Herzen des
Kannenbäckerlandes, mehrere Generationen von Eulern. Sie stellten, wie in
den Nachbarorten, Kannen, Krüge und anderes
Geschirr her, das weit über die Landesgrenzen hinaus gehandelt wurde.
Zum Ausschnitt oben: Im Hintergrund die
Rheinstraße, deren Damm nach ihrem Bau mit Pappeln befestigt wurde. Sie
ist heute mit einer der wichtigen Verkehrverbindungen von Vallendar u.
Bendorf am Rhein in den Westerwald. Hier wird damals ab und zu ein Pferdefuhrwerk
unterwegs gewesen sein. Heute [1994] wird die L 307 täglich in Richtung Höhr-Grenzhausen und
Ransbach-Baumbach von fast 8 000 Autos
befahren. [Anm: 2011 sind es täglich über 10 000 Fahrzeuge].
Die Turnhalle, die heutige Pfeifenbäckerhalle, links der Hauptstraße am
Ortausgang Richtung Ransbach- Baumbach entsteht erst 10 Jahre später, am
Ortsausgang zwischen Rheinstraße und Hauptstrasse wurde Hopfen angebaut.
2010:
Das Wachstum eines Dorfes ist hier besonders deutlich abzulesen. Beim
Vergleich der beiden Fotos von Hilgert wird sichtbar, wie
innerhalb von "nur" hundert Jahren sich die Zeiten gewaltig geändert
haben. Das "Kannenbäckerland" zählt heute zu den dicht
besiedelten Gebieten des Westerwaldkreises.
Karl- Ludwig Schmidt, 1994 [2011] -
Anm: ´Das Bild von 1896 (s.o) wurde 1994 von
Hermann Zöller (+) dem Autor zu Veröffentlichung zu Verfügung gestellt, es
entspricht nicht dem Original. Das kontrastarme u. verfärbte Bild wurde
damals in der Dunkelkammer mit analoger Technik reproduziert, nach
damaliger Technik rel. aufwendig mit entsprechenden Entwicklern und
Papieren vergrößert, und nach der Retusche noch einmal mit der Reprokamera
fotografiert. Dieses retuschierte S-W Bild wurde dann 1994 in der
Westerwälder Zeitung veröffentlicht. 2011 das Original von Ingo Zöller in
S-W digitalisiert, Kontrast, Helligkeit gleichmäßig verteilt, und
abschließend (ohne Retusche) einheitlich eingefärbt.
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